Seit dem 2. Juli ist Wolfram mit seinem rollenden Friseursalon bei der diesjährigen Tour de France unterwegs – aktuell im nordfranzösischen Lille. Zwei Wochen lang sorgt er dafür, dass Fahrer, Betreuer und sogar Busfahrer gut frisiert in den Tag starten.
Bekannt wurde Wolfram 2008, als er Friseurweltmeister wurde – ein Titel, der ihm nicht nur Ruhm, sondern auch unerwartete berufliche Wendungen bescherte. 2019 klingelte plötzlich das Telefon: Die Kosmetikmarke Alpecin, Sponsor eines Tour-Teams, fragte spontan an, ob er nicht mitkommen wolle, um die Fahrer zu frisieren.
Zwei Wochen vor Tourstart sagte Wolfram zu – und ist seitdem regelmäßig dabei.
Vom Weltmeister zum Tour-Friseur
„Klar, das ist ein langer Tag“, erzählt Wolfram im Interview mit LandesWelle. „Die Fahrer haben oberste Priorität, aber da kommen auch Physios, Mechaniker, der Busfahrer – eigentlich alle, die irgendwie dazugehören.“ Der Andrang ist enorm: Hunderte Kunden pro Tag, sagt er. „Ich müsste echt mal Strichliste führen.“
Sein Arbeitsplatz? Ein umgebauter Wohnwagen – von ihm liebevoll als „große Blech-Burger-Bude“ bezeichnet – der vor den Teamhotels parkt. Wichtigstes Werkzeug neben Schere und Rasierer: ein Ventilator. „Ohne den geht nix“, lacht Wolfram.

Vertrauen ohne Spiegel
Obwohl seine Kundschaft international ist, klappt die Kommunikation erstaunlich gut. „Haare schneiden ist eben auch Körpersprache“, meint er. „Und Vertrauen ist das A und O – die Sportler sitzen da oft ohne Spiegel, um sie herum stehen Journalisten, und du darfst keinen Fehler machen.“
Die Frisurwünsche? Von wild bis wunderbar. „Manchmal denkst du, das hätte die Frau zuhause auch hinbekommen“, erzählt Wolfram. Andere wiederum kommen mit aufwendigen Bart-Stylings. Ein Unterschied zwischen Tour-Fahrern und Kunden in Niederschmalkalden? Gibt’s laut Wolfram nicht: „Der Anspruch ist überall gleich.“
Wohlfühl-Oase auf vier Rädern
Trotz der Routine ist für Wolfram jede Tour besonders. „Es wird zur Gewohnheit, klar. Aber sobald man vor Ort ist, spürst du diese besondere Stimmung wieder.“ Dabei geht’s beim Schneiden selten um Radsport. „Die wollen über Privates reden. Über Rennen haben die keine Lust.“
In Niederschmalkalden bleibt der Salon während seiner Tour-Zeit geschlossen. „Die Kunden sind natürlich ein bisschen traurig“, sagt Wolfram. „Aber irgendwie sind sie auch stolz, dass einer von ihnen bei der Tour de France frisiert.“
Und die Frisur unterm Helm? „Ganz ehrlich: Die ist eigentlich scheißegal“, sagt Wolfram mit einem Augenzwinkern. „Es geht eher um das Gefühl – die Atmosphäre, das kurze Durchatmen. Einfach ein bisschen Wohlfühlen im Trubel der Tour.“
Von Niederschmalkalden auf die größte Radsportbühne der Welt – und zurück. Nico Wolfram zeigt, dass es beim Friseur nicht nur um Haare geht, sondern um Vertrauen, Atmosphäre und ein Stück Heimat – auch mitten in Frankreich.