Milow - Lean Into Me

Milow - Lean Into Me

Es gibt Alben, die sich fast schon wie Freunde anfühlen. Die für einen da sind, wenn man sie braucht. An die man sich wendet, wenn man in sich gehen, nach Antworten suchen – oder einfach nur feiern will. Die darauf versammelten Songs können trösten, einen aufbauen, neues Selbstbewusstsein geben. Wie eine Hand, die man halten kann, eine Schulter, an der man sich auch mal ausheulen darf.

Die für eine solche Verbindung nötige Intimität, das nötige Einfühlungsvermögen hat die Musik von Milow schon immer ausgezeichnet. Und so funktioniert sein sechstes Album Lean Into Me (Homerun Records) wie eine Umarmung (oder wie der Titel sagt: wie eine Aufforderung zum Anlehnen): Der Belgier lässt die Zuhörer*innen teilhaben an seinen persönlichen Erfahrungen, präsentiert Erinnerungen, mit denen man sich identifizieren kann wie mit den Worten eines guten Freunds, mit dem man spätabends noch zusammensitzt.

„Der Titel Lean Into Me bezieht sich ganz konkret darauf, dass ich finde, wir sollten einander öfter eine Schulter zum Anlehnen geben und zeigen, dass wir einander unterstützen“, sagt Milow. „Freundschaft ist mir wahnsinnig wichtig. Ich tue wirklich viel dafür, um meine existierenden Beziehungen zu pflegen – obwohl das mit den Jahren immer schwieriger wird. Das ist auch das Thema, das sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album zieht. Alles sehr persönlich also.“

Nun ist Milow bekannt als Singer-Songwriter, der es wie kaum ein anderer versteht, derart Persönliches in Songs zu übersetzen, in denen sich viele Menschen wiederfinden können; das belegen nicht nur die vielen Preise, die der Belgier schon gewonnen hat, sondern auch die Größe seiner internationalen Fanbase oder ein flüchtiger Blick in die Chart-History. Allein bei Spotify verzeichnen seine Songs inzwischen rund 200 Millionen Streams. Dazu gleich 12 Music Industry Awards in Belgien. Auch in Deutschland bereits drei Top-10-Alben in diesem Jahrzehnt. Ausverkaufte Shows rund um den Globus. Alles binnen gut 10 Jahren, seit er mit dem Europa-Debüt Milow, streng genommen seine dritte Albumveröffentlichung, erstmals die Charts etlicher Länder aufgemischt hat. Schon für dieses Album gab es Platin (in Deutschland zum Beispiel) und Gold, nachdem es sich über 500.000 Mal verkaufen sollte. Auf den Cover-Hit „Ayo Technology“, im Original von 50 Cent und Justin Timberlake, der bei Spotify und YouTube je knapp 70 Millionen Streams/Views verzeichnet, ließ er Anfang des Jahrzehnts gefeierte Alben wie North and South (2011) und Silver Linings (2014) folgen.

2016 lieferte er mit Modern Heart den erfolgreichen Vorgänger ab, für den er auf namhafte Kreativpartner setzte: Als Producer und Co-Autoren holte Milow damals Größen wie Brian Kennedy, sonst für Hits von Rihanna oder Chris Brown verantwortlich, und James Fauntleroy (Frank Ocean, Bruno Mars) an seine Seite, was seinen Sound komplett ins Hier und Jetzt holte. „Howling At The Moon“ entstand so zum Beispiel, ein massiver Hit bei Spotify & Co. Und jetzt also: Lean Into Me. Das neue Album, das seit 2016 nach und nach heranreifen sollte...

Indem er das Pendel dezent zurückschwingen lässt, die ultrazeitgenössische Produktion des Vorgängers mit einem klassischen, gefühlvollen Folk-Einschlag vermählt, trägt das neue Album ganz deutlich Milows Handschrift. Dabei waren auch dieses Mal Gäste beteiligt: Zwei seiner engsten Freunde holte der Belgier nach Los Angeles, wo die Aufnahmen stattfanden. Einerseits Tom Vanstiphout, seit geraumer Zeit Gitarrist in Milows Band; andererseits der Produzent Jo Francken. Beide quartierten sich in Milows Zuhause in Venice ein, keine 20 Fahrradminuten entfernt von den 4th Street Recording Studios in Santa Monica, wo Lean Into Me entstehen sollte.

Drei Belgier am Pazifik: Das Trio lebte zusammen, cruiste zusammen zum Studio, feilte zusammen an neuen Songideen. „Ja, und das Thema des Albums entpuppte sich so als selbsterfüllende Prophezeiung – schließlich war ich rund um die Uhr mit meinen Freunden zusammen“, so Milow. „Beim Vorgänger hatte die Produktion schon sehr früh eine zentrale Rolle gespielt, weil ich unbedingt etwas Neues machen wollte. Aber dieses Mal habe ich mir erlaubt, einen Blick zurück zu werfen, über die Themen nachzudenken, die ich über die Jahre behandelt habe – ja, sogar über die Gründe, weshalb ich damals überhaupt Gitarre lernen wollte und bei der Musik gelandet bin. Ich wollte sehen, was ich in den letzten 10 Jahren gelernt habe. Weshalb dieses neue Album am meisten über mich aussagt: Es entspricht am ehesten meinem Wesen und zeigt am besten, was mein Leben ausmacht, seit ich vor sieben Jahren nach L.A. gezogen bin.“

Mit einem anderen Freund hatte er schon im letzten Jahr die Vorabsingle „Lay Your Worry Down“ feat. Matt Simons aufgenommen. Das Thema von Lean Into Me verpackten die beiden schon damit über lässigen Akustikgitarren, Fingerschnippen und sommerlichen Harmonien, „schließlich bist du nicht allein mit deinen Sorgen“, wie Milow die Aussage der Single zusammenfasst, „du kannst sie mit uns teilen, und wir helfen dir dabei, sie zu schultern.“ Die zuletzt veröffentlichte Single „Help“ klang ganz anders: Eher getragen, mit satten Streichern und Klavier, dazu einer ähnlichen Message. „Schließlich ist es so einfach, immer nur ‘Mir geht’s gut’ zu sagen“, holt er aus. „Man muss wohl erst lernen, diesen Automatismus abzustellen – und dass es okay ist, andere gelegentlich um Hilfe zu bitten.“

„Michael Jordan“ beginnt im Jugendzimmer von Milow, das der Teenager komplett zugepflastert hatte mit Postern des US-Basketball-Superstars. Nostalgie pur. Und es geht um die endlosen Möglichkeiten der Jugend, um die Schwierigkeiten des Heranwachsens. Auch dieses Gefühl kennt man, ob nun mit oder ohne Basketball: „A million lonely nights, a million times I tried to jump like Michael Jordan but never quite as high.“

„Das war genau genommen der allererste Song, den ich für das neue Album geschrieben habe. Alle anderen sind daher gewissermaßen um dieses Stück herum gestrickt. Was den Aufbau und den Inhalt angeht, setze ich hier auf keine klassische Popstruktur – wie ganz früher also, bei meinen allerersten Aufnahmen. Zugleich erinnern die Arrangements und die Produktion an aktuellere Musik. Im Text geht’s um meine Beziehung zu meinem Vater, die kompliziert war und nie wirklich aufgearbeitet werden konnte, weil er schon mit 53 an einem Herzinfarkt gestorben ist. Es sind krasse Erinnerungen an die Mittneunziger, die da aufflackern in dieser Geschichte. Meine Freunde und ich waren die größten NBA-Fans. Nächtelang waren wir wach, um die Jordan-Spiele anzuschauen. Eine tolle Zeit war das; alles war damals noch möglich.“

Auch seiner langjährigen Freundin widmet er einen Song (die grandiose Ballade „Laura’s Song“), oder er bezieht sich auf die Skyline von Barcelona – für den schillernden, überschwänglichen Schlusspunkt „All The Lights“. Und noch weitere Freunde helfen aus: Brett Dennen unterstützt Milow für „While You’re Asleep“ an der Gitarre und am Mikrofon, während Priscilla Ahn gleich zwei Mal Gastvocals beisteuert – für „Houdini“ und „Good Thing“.

Und so funktioniert auch Lean Into Me wie eine Schulter zum Anlehnen – denn Milow war noch nie so offen, seinen Zuhörer*innen noch nie so nah wie hier: „Ehrlichkeit. Authentizität. Das ist für mich ganz klar das Wichtigste“, sagt er abschließend. „Ich tue alles dafür, dass man zu 100% mich bekommt. Ich zeige Dinge, die ich sonst nur mit meinen Freunden teilen würde. Kein Versteckspiel. Einfach Milow. Da steckt mein Herz drin, in diesen Songs.“ 

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