Verkehrgesellschaften deutscher Großstädte verzichten auf Begriff "Schwarzfahren"

„Schwarzfahren“ – ein Begriff, den vermutlich jeder von uns schon einmal genutzt hat. Er beschreibt die Tatsache, ohne gültigen Fahrschein im öffentlichen Personenverkehr zu fahren. Auch wenn der Begriff ursprünglich keinen rassistischen Hintergrund aufweist, streichen doch mehrere Verkehrsbetriebe dieses Wort. Dies führt zu Zustimmung, aber auch Kritik.

Großstädte in Deutschland verzichten auf Begriff „schwarzfahren“

Der Öffentliche Nahverkehr in mehreren deutschen Großstädten, beispielsweise Berlin und München, verwendet den Begriff „schwarzfahren“ nicht mehr, berichtete die BILD-Zeitung Anfang des Monats. In München seien die Plakate der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), auf denen „Schwarzfahren kostet 60 Euro!“ stand, gegen neue Plakate mit dem Spruch „Ehrlich fährt am längsten“ ausgetauscht worden. Auf den Begriff soll verzichtet werden, um dem möglichen Vorwurf rassistischer Sprache zu entkommen. Zum Teil wird der Begriff in den entsprechenden Verkehrsbetrieben aber schon seit Jahren nicht mehr öffentlich verwendet.

Mögliche Herkunftstheorien zu „schwarzfahren“

Dabei hat der Begriff „schwarzfahren“ ursprünglich nichts mit der Hautfarbe zu tun. Zur Herkunft des Wortes gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Es könnte vom Jiddischen „shvarts“ kommen, das so viel bedeutet wie „arm“. Es könnte aber auch von „schwarz“ im Sinne von „dunkel, bei Nacht“ kommen, wenn illegale Taten stattfinden.

„Schwarz wird dadurch immer wieder mit negativen Dingen in Verbindung gebracht.“

Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V. (ISD) begrüßte den Verzicht auf den Begriff „schwarzfahren“. Sie wissen zwar, dass der Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht negativ gemeint ist, aber dennoch hat er Auswirkungen, erklärte Tahir Della, Sprecher der Initiative auf Anfrage im LandesWelle Thüringen-Interview: „‘Schwarz‘ wird dadurch immer wieder in Verbindung gebracht mit negativen Dingen, in dem Fall das Fahren ohne Ticket, aber zum Beispiel auch schwarz sehen, schwarz malen. […] Und das war der Anlass der Verkehrsbetriebe das zu ändern. Und das begrüßen wir.“
Dass das Thema rund um ein einziges Wort durchaus emotional aufgeladen ist, erfuhr die Initiative durch E-Mail-Reaktionen im Nachhinein, die nicht immer positiv waren. Für Della ist deshalb klar, dass das Rassismusbewusstsein noch eingeschränkt ist.
 
 „Man geht immer noch davon aus, dass eine Intention dahinterstecken muss, hinter Rassismus und rassistischen Handlungen. Dass auch die ursprüngliche Bedeutung rassistisch gemeint sein muss. Und dem ist natürlich nicht so. Sprache verändert sich.“ (Tahir Della, Sprecher ISD)

Sprachwandel: gesteuert vs. ungesteuert

Dass Sprachwandel etwas ganz Natürliches ist, betont auch Prof. Dr. Dr. Csaba Földes, Sprachwissenschaftler an der Universität Erfurt. Man müsse hierbei aber unterscheiden zwischen gesteuertem und ungesteuertem Sprachwandel: „Ungesteuert zum Beispiel im lautlichen Bereich heißt, wenn sich unsere Aussprache zum Beispiel über Jahrzehnte ändert. Und gesteuert, wenn es ein künstlicher Eingriff ist. Aber das muss nicht immer negativ sein. Denken Sie zum Beispiel an Luther oder Goethe, die unsere Sprache weitgehend geprägt haben“, erklärt Prof. Földes.

Beim konkreten Beispiel „schwarzfahren“ findet Prof. Földes, dass etwas übers Ziel hinausgeschossen wurde: „Es ist selbstverständlich, dass wir höflich und freundlich kommunizieren sollten und dass wir niemanden ausgrenzen und niemand beleidigen. Aber altbewährte, sprachliche Elemente einfach abzuschaffen, besonders, wenn die Wörter nicht schuld daran sind, halte ich für etwas überzogen.“

Dennoch sollten in sprachlichen Handlungen, in der Kommunikation, Empfehlungen ausgesprochen werden: Dabei geht es nicht um den Ausschluss bestimmter Wörter oder grammatikalischer Formen. Aber dass beispielsweise von „Kolleginnen und Kollegen“ gesprochen wird, statt nur von „Kollegen“, hält Földes für durchaus angemessen und notwendig. Hier gilt Augenmaß in der Anwendung.

Thüringer Verkehrsbetriebe benutzen Begriff größtenteils nicht

Auf Nachfrage von LandesWelle Thüringen äußerten sich einige Verkehrsbetriebe zur Verwendung des Begriffes „schwarzfahren“: Christoph Heuing, Geschäftsführer vom Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) beispielsweise, sagte uns, dass der Begriff schon seit Jahren nicht mehr benutzt werde. Stattdessen wird von „Fahren ohne gültigen Fahrausweis“ gesprochen. Das liegt jedoch nicht an dem möglicherweise rassistischen Hintergrund, da dieser bis jetzt überhaupt noch kein Thema war, da der Begriff ursprünglich nichts mit der Hautfarbe zu tun hat.
Dennoch ist eine Diskussion über Sprache generell sinnvoll: „Es ist auch richtig, dass der Begriff nicht mehr verwendet wird. […] Dass sich da Menschen angegriffen fühlen, müssen wir respektieren. […] Von daher ist das eine richtige Diskussion, dass wir alle ein wenig sensibler werden, was die Sprache angeht.“

Ähnlich sieht es Stefan Dietrich, Pressesprecher von Abellio Mitteldeutschland. Auch hier spielt der Begriff keine Rolle mehr – muss entsprechend auch nicht entfernt werden. Sonst setzen sie in der Sprache auf Vielfalt, zum Beispiel auch durch eine geschlechtergerechte Ansprache der Kundinnen und Kunden, sagte uns Dietrich auf Anfrage.

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